Carl Djerassi, US-Chemiker aus Wien


Leberknödelsuppe und Germknödel machen ihn noch immer schwach. Carl Djerassi mußte Wien im schicksalsschweren Jahr 1938 verlassen, seine Liebe zu den Spezialitäten der Wiener Küche ist im kalifornischen Exil allerdings nicht verblaßt. "Ich habe meine Wiener Wurzeln lange Zeit verleugnet", berichtet Djerassi. "Aber jetzt entdecke ich sie wieder. Nicht zuletzt im kulinarischen Bereich. In den letzten Tagen habe ich hier in Wien drei Kilo zugenommen."

Der erste Orden

Ende Mai wird Djerassis erstes Theaterstück - "Unbefleckt" - im Jugendstiltheater auf die Bühne kommen. Daß sein Debüt-Drama ausgerechnet in Wien seine deutschsprachige Erstaufführung erlebt, findet der 76jährige Chemiker und Schriftsteller "großartig". Es berühre ihn, sagt er. Genauso, wie es ihn bewegt hat, daß der österreichische Konsul in San Francisco ihm vor einigen Monaten das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst an die Brust geheftet hat. "Mein erster Orden", strahlt Djerassi: "Ich müßte lügen, wenn ich behaupten würde, daß mich diese Geste der Republik nicht bewegt hat."

Multiple Begabung

Carl Djerassi ist ein echtes Mehrfach-Talent: Als Chemiker synthetisierte er in den fünfziger Jahren den Wirkstoff Cortison. Wenig später erfand er die Anti-Baby-Pille. Ein wissenschaftlicher Triumph, eine gesellschaftliche Revolution. In den Achtzigern erprobte sich Djerassi als Romancier. "Cantors Dilemma" hieß sein Erstling, ein amüsanter Thriller um den skrupellosen Krebsforscher Isidore Cantor, der sich den Nobelpreis durch unsaubere Machenschaften erschleichen will. Das Buch war bei Leserschaft und Kritik ebenso erfolgreich wie die späteren Bestseller "Das Bourbaki-Gambit" oder "Menachems Same".

Produktive Jahre

Jetzt will Djerassi auch als Theaterautor reüssieren. "Manche Leute werden das als lächerlich empfinden", vermutet er: "Aber mir ist es ernst. Ich werde demnächst 76, da habe ich noch fünfzehn, zwanzig produktive Jahre vor mir. Die will ich nützen."

Daß er seine Karriere als Bühnenschriftsteller tatsächlich ernst nimmt, beweist der Elan, mit dem Djerassi zur Sache geht: Zwei weitere Theaterstücke hat der Neo-Dramatiker schon in Angriff genommen.

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